„Jahr für Jahr stellen wir neue Rekorde auf“, so Alexis Tsipras, der griechische Premierminister. Sein Enthusiasmus ist selbstverständlich nachvollziehbar. 2017 wird der Tourismus rund 14 Milliarden Euro in die griechische Haushaltskasse spülen – Geld, das die krisengeschüttelte Wirtschaft unbedingt benötigt. Doch den Preis zahlen vor allem die Beschäftigten. 340.000 Menschen, die in der Tourismus-Branche arbeiten, müssen lange Arbeitstage und extrem geringe Gehälter akzeptieren. Zudem werden viele Griechen nur illegal beschäftigt und haben somit auch keinen Versicherungsschutz. „Die jährlichen Rekorde und die jährlichen Gewinne sind gut für das Land, basieren aber auf den ausgebeuteten und überarbeiteten Angestellten. Viele der Angestellten fallen vor Erschöpfung einfach um“, so Kyriakos Tsaousis, der Chef einer griechischen Touristik-Gewerkschaft.
Immer mehr Touristen verbringen ihren Urlaub in Griechenland
Obwohl die Griechen einerseits mit dem Flüchtlingsproblem und andererseits mit einer nie zu enden wollenden Schuldenkrise zu kämpfen haben, kommen immer mehr Touristen in das Land. Im Jahr 2016 waren es 27,8 Millionen, 2017 sollen es über 28 Millionen Menschen sein. Selbst im Jahr 2015, als Tsipras die Banken schließen musste, ließen sich die Touristen nicht abschrecken – die Tourismusbranche verbuchte ein Plus von 7 Prozent. Heute erwirtschaftet die Tourismusindustrie rund 19 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im vergangenen Jahr hingen 423.000 Jobs vom Tourismus ab. Aufgrund der Tatsache, dass die Arbeitslosenquote bei 23 Prozent liegt (die Jugendarbeitslosigkeit beträgt knapp 50 Prozent), sind die Saisonjobs in den Restaurants, Hotels und Souvenir-Geschäften so wichtig wie noch nie. Zudem profitieren die Griechen auch von den Schwächen der anderen Länder: Nur wenige Touristen entscheiden sich heute für Ägypten, Tunesien oder für die Türkei – viel lieber fliegen sie nach Griechenland oder etwa auch nach Spanien. Vor allem die Deutschen, Briten und Franzosen lieben die griechischen Inseln. Doch nicht nur die Deutschen, Briten und Franzosen kommen gerne nach Griechenland – auch die Chinesen sorgen für nicht zu unterschätzende Mehreinnahmen. Genau deshalb will Cosco, eine staatlich chinesische Reederei, noch vier weitere Anlagestellen für Kreuzfahrtschiffe im Hafen von Piräus errichten lassen – inklusive Hotels und Shopping-Mall. „Nicht nur private Unternehmen und Hotels sollten sich vermarkten. Das ganze Land muss sich vermarkten“, so ein Griechenland-Experte. Die Griechen versuchen schon seit längerer Zeit mehr Touristen anzusprechen – es gibt neue Konzepte, Urlaubsangebote in den Herbst- und auch Wintermonaten und zudem auch einen neuen Weinbautourismus.
Die Einnahmen bleiben unverändert
Doch auch wenn immer mehr Menschen nach Griechenland kommen, so gibt es wieder ein „griechisches Mysterium“: Die griechische Nationalbank verbucht – Jahr für Jahr – nie mehr als 14 Milliarden Euro aus der Tourismusbranche, obwohl immer mehr Menschen nach Griechenland kommen. Es scheint, als würden die Summen, die tatsächlich in das Land fließen, nicht zu 100 Prozent weitergeleitet werden. Eine Möglichkeit? Die Touristen würden weniger Geld ausgeben. Eine andere Möglichkeit? Viele bieten Leistungen ohne Kassenbeleg an.